Bewertung und Kritik von
Filmfan "frankycl" am 20.10.2010Film-Doku über zwei außergewöhnliche Kletterer und ihre Obsession, das vermeintlich unmögliche zu versuchen.
Ich denke, daß man sich bei diesem Film im Vorhinein im klaren sein sollte, daß er eindeutig nicht für Laien bzw. Leute gedreht wurde, die nichts / fast nichts über das Klettern im Allgemeinen und das Yosemite Valley im Speziellen wissen. Es werden häufig Fachbegriffe wie z.B. "Free Solo" oder "On Sight" genannt und Örtlichkeiten oder Klettertechniken gezeigt, die nicht im mindesten erklärt werden. Es handelt sich nicht um einen Film über das Klettern generell und auch nicht über "Speed-Climbing" par se und schon gleich gar nicht über die verwendete Ausrüstung oder spezielle Techniken (weshalb diese Dinge auch meist nur kurz angeschnitten / gezeigt werden). Nein, es handelt sich schlicht um eine Dokumentation über zwei außergewöhnliche Menschen, zwei Brüder (bekannt als die "Huber-Buam"), die schon viele Jahre zusammen klettern und schon viele Erfolge - allein und zusammen - in der internationalen Berg- und Kletterszene errungen haben. Und der Film stellt den Versuch dar - hauptsächlich durch interview-ähnliche Monologe -, die Hintergründe dieser außergewöhnlichen Verbindung und die Hintergründe ihrer gemeinsamen Leidenschaft, ja Obsession, nämlich das Ausloten - und beabsichtigte Überschreiten - des eigenen, persönlichen "Limits" im Speziellen und das "Pushen" der menschen-möglichen Grenzen im Allgemeinen durch einen neuen Rekord im Speed-Climbing einer besonderen (und vielleicht der berühmtesten) Route - der "NOse" - am El Capitan, dem mächtigsten und bekanntesten Felsmasiv des kalifornischen Yosemite Valley. Wenn man über diese Dinge ein wenig Bescheid weiß (und sich über die Extras der DVD noch ein wenig mehr informiert, wie z.B. mittels einem sehr interessanten Interview der zwei Brüder, welches nach dem Film / dessen Ereignissen aufgenommen wurde), kann man nämlich durchaus einige interessante
Dinge über Speed-Climbing und die verwendete Technik / Ausrüstung erfahren und bekommt auch einige sehr schöne und imposante Aufnahmen von Teilen der gennannten Route (und noch ein paar anderen) und eindrucksvolle Bilder der örtlichen Gegebenheiten des genannten Tals (oder auch von Patagonien und dem Cerro Torre-Gebiet) gezeigt. Man darf nur nicht erwarten, daß das gezeigte auch noch erklärt bzw. in aller ausführlichkeit genannt wird.
Ich glaube aber auch, daß Leute, die einfach nur Natur- und Abenteuer-(im echten Leben, nicht im Film !)-Liebhaber sind oder solche, die einfach wissen wollen, was es alles für "Spielereien" in menschen-möglichen - und beinahe unmöglichen - Extrem-Sportarten gibt durchaus etwas von diesem Film haben können, da er viele, teils wunderschöne Naturaufnahmen, Zeitraffer-Effekte und spektakuläre Kletter-Szenen (untermalt von teilweise sehr passender, guter Musik) enthält und überdies die menschlichen Hintergründe und Motive aufzeigt, welche die Grundlage für ebensolche Höchstleistungen darstellen.
Wohl deshalb werden im Film auch immer wieder (#ACHTUNG SPOILER# !!) die - geradezu philosophischen - Aussagen von Kletterlegenden und Lokal-Matadoren, wie Dean Potter angeführt, welcher mal eben mit nichts am Leibe, als seinen
Alltagsklamotten einen viele Meter hohen manns-breiten Riß emporklettert, oder barfuß und ungesichert über ein Seil balanciert, hoch über einem reißenden Gebirgsbach. Und der "alte seiltanzende Indianer" (aus einer anderen Kritik) ist kein geringerer, als "Charles Victor Tucker III." (unter Kletterern v.a. bekannt als "Chongo"), eine art moderner Philosophen-Nomade, welcher vieleicht die schillerndste Persönlichkeit des Yosemite darstellt, (früher) als einer der
Kletter-Pioniere galt und selbst schon Bücher über Bigwall-Climbing und - man höre und staune - Quanten-Physik veröffentlicht hat. - Allerdings gilt auch hierfür, wie schon für das oben gesagte, daß diese Hintergrund-Informationen in keinster Weise im Film genannt werden, sondern einfach die betreffenden Personen in der Ausübung ihrer Tätigkeit gezeigt werden und man diese ihre eigenen, persönlichen Gedanken und Ansichten äußern läßt, ohne diese in irgendeiner weise zu kommentieren. Doch gerade dies finde ich äußerst interessant (auch, wenn es nur ein relativ kleines Neben-Thema darstellt), denn wenn man diesen Menschen (wenn auch nur im Film) in die Augen sieht und ihren Worten lauscht (jenseits aller schauspielerischen Verstellungen !), vermag man vielleicht zu erahnen, daß diese durch ihre jeweiligen Grenz-Erfahrungen - zumindest zum Teil - etwas gefunden haben, was so viele Menschen heute (bewußt oder unbewußt) suchen, nämlich schlicht: sich selbst.
Dies gilt im weitesten Sinne wohl auch für die eigentlichen Hauptpersonen des Films, die beiden Brüder, welche ebenso ihre persönlichen Motive und
Gedanken, aber auch Ängste und Zweifel an- bzw. aussprechen und film-dokumentarisch bei ihrem Rekord-Versuch, aber auch bei ihren Trainings- und Vorbereitungs-Tätigkeiten begleitet werden, wobei auch hier viele Dinge nur angedeutet und exemplarisch dargestellt / gezeigt werden und wohl nur für bereits Kletter- bzw. Yosemite-Begeisterte wirklich interessant sind.
Interessant fand ich auch, daß der Film eben nicht nur die technische bzw. sportliche Seite des Vorhabens der beiden Brüder enthält, sondern auch die menschliche und persönliche Seite beleuchtet (und recht ausführlich an verschiedenen Örtlichkeiten zeigt), wie z.B. die unterschwellig immer vorhandene Rivalität der beiden und Probleme, welche die beiden in Vergangenheit und Gegenwart mit sich und anderen hatten / haben.
Nicht gut fand ich allerdings, daß bei den eigentlichen Kletter-Aufnahmen (sowohl bei den Vorbereitungen, als auch beim Rekord-Versuch selbst) die eigentlich interessantesten Dinge, nämlich die Stürze jeweils eines der beiden Brüder, überhaupt nicht gezeigt wurden - zumal offensichtlich ja eigentlich gar nicht viel passiert ist: Der eine reißt sich ein paar Bänder ab und hat ein paar Prellungen und muß noch ein weiteres Jahr auf den Rekord-versuch warten und der andere hat außer ein paar Schürfwunden und offensichtlicher Erschöpfung keine sichtbaren äußeren Verletzungen und kann ganz normal weiterklettern. Da
werden dann im esten Fall auf einmal Bilder gezeigt, wo der jüngere der Brüder von verschiedenen anderen Personen durch den Wald getragen wird bzw. am Boden entlang kriecht (ohne daß auch nur erwähnt wurde, was geschehen ist) und im zweiten Fall werden stat dem fallenden Kletterer ein paar Steine in Zeitlupe gezeigt, welche - akustisch allerdings gut vertont; wer so etwas schon mal im Gebirge erlebt hat wird wissen, was ich meine - eine Felswand entlang hinunterfallen (#SPOILER-ENDE# !). Das wirkt, im Vergleich zur sonstigen, auf Dramatik und Spektakuläre Bilder zielenden Inszenierung, nicht nur lächerlich,
sondern dürfte bei einigen Zuschauern kurzzeitig auch für ziemliche Verwirrung sorgen. (In der NY-Times war zwar zu lesen,daß dies durchaus vom Regiseur beabsichtigt war, weil man "keine extremen Unfälle" zeigen wollte..., aber das wirkt auf mich so, wie wenn man in einem Horror-Film anstelle einer blutigen Szene einen Teddy-Bär malträtieren würde: völlig idiotisch !)
FAZIT: Vor allem Yosemite-Begeisterten und Klettertechnisch ein wenig "bewanderten" zu empfehlen, aber auch für alle, die an körperlichen und mentalen Grenzerfahrungen interessiert sind (und nicht von dem oben geschilderten abgeschreckt werden) einen Blick wert.
ungeprüfte Kritik